Sonntag, 8. September 2019

Unterwegs im Harzvorland

Seit Juni bin ich wieder in der Heimat und schon wurde ich vom Alltag eingeholt, als sei ich nie weg gewesen. Schon nach wenigen Tagen hat sich mein Aufenthalt in Nysa wie ein Traum angefühlt, allerdings sagen mein Kalender und diese Website sowie meine neuen Freunde und Bekannten da etwas anderes. Dennoch, zu Hause haben mich schon diverse Aufgaben erwartet: Hausarbeiten für die Universität schreiben, Arztbesuche, Freunde und Familie treffen und natürlich auch die ehrenamtliche Arbeit bei der hastuzeit. Da wird es im Kopf schnell wieder voll, der Rücken verspannt sich und die Augen werden müde. Da hilft nur, den Rucksack zu packen und hinaus in die Natur zu wandern. Mit Zelt und Schlafsack ging es ab ins Harzvorland.

Neue alte Heimat


Ich bin keine gebürtige Harzerin, dennoch zieht es mich immer wieder in den Teil des Landes, der über zehn Jahre die Wahlheimat meiner Eltern war und nicht zuletzt deswegen, weil mein Mann dort geboren wurde und aufgewachsen ist. So verwundert es nicht, dass wir jedes Jahr ein paar Ausflüge machen, die Deutsche Bahn und das Sachsen-Anhalt-Ticket machen es möglich.
Doch schon viel länger bin ich mit dem märchenhaften Harz verbunden. Schon als Kind verbachten wir unzählige Familienurlaube im Oberharz, bis wir zur Jahrtausendwende von der Großstadt in den Wald zogen. Erst Jahre später ging es wieder zurück in die Stadt, doch das ist eine andere Geschichte.
Meine "neue alte Heimat" ist mir zumindest lieber als der Gestank, die Enge und die Lautstärke der Bundeshauptstadt, denn im Harz bekommt man alles, was man sich als rucksackfreudige Person wünscht: Waldgerüche, Weite und die Klänge der Natur. Für meine Familie und mich gibt es dort einen ganz speziellen, ein wenig auch spirituellen Ort im Vorharz bei der Stadt Blankenburg.


Blankenburg Heidekraut


Heidekraut und Sandsteinklippen


Vor ein paar Jahren - Jahrzehnten - war dieser Ort noch recht unbekannt. Heute finden sich dort unzählige in den Sandstein geritzte Liebesschwüre. Ob diese Liebe so lange Bestand haben wird, wie der Sandsteinfelsen selbst, wird ein Rätsel bleiben. Vor zwölf Jahren habe ich selbst Initialen eingeritzt, allerdings habe ich sie bei der Fülle nicht mehr finden können. Den Mann dazu gibt es allerdings noch.

Blankenburger Liebesschwüre


Wenn man Glück hat, dann trifft man dort oben keine Seele. Zwar reichen die Geräusche der Bundesstraße bis an diesen Ort, sehen kann man die Fahrzeuge sie zum Glück jedoch nicht mehr.
Ein wenig in den Wald hinein haben wir uns ein Plätzchen gesucht, wo wir unsere Nacht in der Natur verbringen wollten. Entspannen, ohne Netflix, Alexa, WhatsApp, Facebook und so weiter und so weiter... Mit dabei hatten wir: Zelt, Isomatten, Schlafsäcke, Hängematte, Campingkocher und Lebensmittel, im Besonderen natürlich auch Kaffee (den Teil Luxus, den ich mir nur schwer abgewöhnen kann).


Es bleiben nur Fußspuren zurück


Die Weite vertreibt die Gedanken. Ich fühle mich klein hier oben, fast schon unbedeutend und gleichzeitig so ungemein menschlich. Ich habe das Gefühl, dass ich hier oben seit langem wieder richtig atmen kann. Das hat weniger mit der Luftqualität meines Wohnortes zu tun, sondern damit, dass ich mich an diesem Platz ohne Lasten spüre, als wären sie am Fuße des Weges zurück geblieben.
Schon nach Sonnenuntergang lagen wir im Zelt, mit einem leichten Kribbeln im Bauch, denn man weiß nie, ob Herr Fuchs und Frau Elster nicht doch noch an die Zeltwand klopfen. Geschlafen haben wir jedoch so ruhig wie lange nicht. Die Luft, die angenehme Frische der ersten Herbstnächte, der leichte Regen auf dem Zeltdach, und obwohl ich kurz vor Sonnenaufgang wach wurde, fühlte ich mich ausgeruht und gestärkt.


Zelt


Den Sonnenaufgang, Kaffee, Speck, Käse und Brot - mehr braucht es am Morgen nicht. Nach dem Frühstück wurde alles wieder zusammengepackt, nichts bleibt im Wald, nichts außer unseren Fußspuren und unseren Erinnerungen.

Ob sich der Aufwand gelohnt hat? Auf jeden Fall. Eine Nacht im Wald, ein Tag am Meer, eine Wanderung durch die Heide: Raus in die Natur, das Gewicht des Rucksacks auf dem Rücken und sich mit der Welt verbunden fühlen: Das gibt Kraft für die nächsten Monate voller Arbeit, Hausarbeiten und ehrenamtlichen Tätigkeiten.

Zelt weg

Zelt weg